Sonntag, 1. April 2012

Moustache March


Mit dem bestandenen Instrument-Checkride ging es in die nächste Phase, die Lowlevel-Phase. Das ist das erste Mal, dass man so ein bisschen militärisch fliegt, nah am Boden, um dem Radar auszuweichen und dann zu einem bestimmten Ziel zu einer bestimmten Zeit. Wenn man vorher gewohnt ist, immer mindestens 3000m Luft unter sich zu haben, dann kommen einem 150m auch plötzlich ziemlich niedrig vor. Macht aber auf alle Fälle einen Heidenspaß, das einzige was nervt, sind die ganzen Funkmasten, die hier in Texas rumstehen. Muss man ein bisschen aufpassen, dass man da nicht gerade reinfliegt. Die Flüge liefen ganz gut, mit einer Ausnahme: An einem Donnerstag sollte ich zwei Mal fliegen gehen, einmal morgens, einmal nachmittags, damit ich dann in der nächsten Woche checken konnte, bevor es nach Washington ging (dazu später mehr...) Der erste Flug morgens lief gut, also kurz gedebrieft, und dann ging es in den nächsten Flug. Auch da lief alles ganz gut, bis ich dann zwei Minuten vor meinem Ziel plötzlich einen großen Schatten sehr schnell auf mich zukommen sah und bevor ich reagieren konnte machte es schon "Tunk!". Ich hab dann nur fix meinem IP im hinteren Cockpit Bescheid gesagt (auch dazu später mehr...) und wir mussten dann die Route abbrechen. Wir konnten nicht so richtig sehen, wo der Vogel uns getroffen hat. Wenn der den Rahmen trifft, muss man einen sogenannten Controllability-Check machen, um zu gucken, ob noch alles so funktioniert, wie es soll. Wenn er aber den Propeller trifft, muss man eigentlich am nächsten Flugplatz notlanden, da der Lufteinlass für die Turbine direkt hinter dem Propeller sitzt und man keine Fremdteile in der Turbine haben möchte. Die mag das nicht so, und da wir nur eine davon haben, müsste man dann im schlimmsten Fall aus dem Flieger aussteigen. Wir hatten da eigentlich beide keine Lust zu, erstens ist die Ejection selber recht schmerzhaft, und die meisten Unfälle passieren dann eigentlich auch erst bei der Landung, in der Regel irgendwelche Knöchel- oder Beinbrüche. Allerdings hatten wir auch keine Lust, irgendwo in der texanischen Einöde zu landen und dann drei Stunden auf jemanden zu warten, der uns abholen kommt. Also haben wir einen sehr genauen Blick auf unsere Instrumente geworfen, um sicher zu gehen, dass wir die ersten Anzeichen eines Motorschadens mitbekommen würden, und als wir halbwegs sicher waren, dass sie nicht gleich ausfallen würde, sind wir zurück nach Sheppard geflogen, haben uns unterwegs von dem anderen Flieger abchecken lassen und dann ohne Probleme gelandet. War auf alle Fälle ein Erlebnis und zum Glück ist ja alles gut gegangen. Am Boden haben wir dann gesehen, dass der Vogel - ein Turkey Vulture, also ein ganz schön großes Vieh - genau vorne auf die Nase geprallt ist, dann durch den Propeller zerkleinert und teilweise tatsächlich in unserem Lufteinlass gelandet ist, dort allerdings am Luftfilter nicht vorbeigekommen ist. Glück gehabt!

Dass es mit dem Checkride in der folgenden Woche dann doch nichts wurde, lag aber nicht an diesem Unfall, sondern an der am Wochenende stattfindenden Solo-Taufe. Ist eine Tradition, dass man nach seinem ersten Solo-Flug auf einem Flugmuster getauft wird. Bei uns gab es dann mit der Solo-Taufe auch unsere ersten Callsigns, die meistens auf irgendeinem lustigen Ereignis beruhten. Dafür wurde man dann auf einen ausrangierten Schleudersitz gesetzt, und musste dann irgendeine Challenge bestehen. Naja, ich war gleich als erster an der Reihe, und bekam die Cinnamon Challenge. Die besteht daraus, dass man einen Becher voll Zimt isst. Wo ist die Challenge? Das dachte ich mir auch, also Mund auf, Zimt rein, und gut ist. Hab dann meinen Namen bekommen - SLAB, was für Screams Like a Bitch steht, denn ich hätte beim Birdstrike angefangen zu schreien im Cockpit. Ach so, hab ich noch nicht erwähnt gehabt, dass von dem Ereignis nur 10&prcnt wahr sein müssen? Tja, und direkt danach hab ich dann gemerkt, was die Challenge an dem Zimt-Becher ist, denn es kam alles wieder ziemlich unverdaut hoch. Damit nicht genug, schwoll mein Hals auch noch an, ich konnte kaum noch atmen, geschweige denn sprechen. Die zufällig anwesende Fliegerärztin, Frau von einem unserer Fluglehrer, meinte: "ach, du hast nur was in den falschen Hals bekommen". Wie auch immer, für mich war der Abend jedenfalls gelaufen, und wie ich am nächsten Morgen feststellen sollte, auch das ganze Wochenende, denn der Hals schmerzte bis Montag morgen. Da ging es mir dann zwar vom Hals her besser, aber dafür war mir jetzt leicht schwindlig mit Kopfschmerzen, also ab zum Arzt. Der musste erst einmal lachen über die Geschichte und stellte dann fest, dass ich mir dann wahrscheinlich am Wochenende zusätzlich noch eine Erkältung eingefangen hatte. Die Schwellung kam tatsächlich vom Zimt, gerade in einer solchen Menge reagieren da wohl viele Leute drauf. Naja, damit hatte sich das Thema Checkride jedenfalls erledigt, da wir am Mittwoch unseren Trip nach Washington starteten.

Diesen Trip bekommt jeder internationale Flugschüler von der amerikanischen Regierung gesponsort, damit man einmal die Hauptstadt kennenlernt und ein bisschen über das politische System und die Geschichte kennen lernt. Neben Sheppard gibt es noch vier weitere Bases, die allerdings nicht von der NATO sondern von der Air Force alleine betrieben werden. Doch auch dort gibt es internationale Schüler, die dann unter anderem aus Japan, Singapur, Kenia, Afghanistan, Polen oder Honduras kamen, also eine sehr bunte Mischung. Das Beste für uns - wir mussten nichts bezahlen, kriegen Flug, Hotel und sogar noch etwas Taschengeld für den Trip. Das Programm war dann allerdings relativ straff organisiert, so dass von einem Urlaub wirklich nicht so richtig die Rede sein konnte. Nach unserer Ankunft bezogen wir erst einmal unser Hotel und dann ging es nach Georgetown, eine häufig von Studenten besuchte Kneipenecke. War auch ganz gut was los und wir feierten gemütlich in einer Pianobar. Am nächsten Tag besuchten wir morgens den Arlington Friedhof, quasi den Staatsfriedhof in Washington. Um dort begraben werden zu dürfen, muss man ein öffentliches Amt ausgefüllt haben. Insgesamt ist das eine riesige Anlage und wirklich beeindruckend zu sehen. Das dachte sich wohl auch der Präsident, denn wenig später sahen wir drei Hubschrauber mit weißem Dach, von denen einer auf einer Kreuzung landete, während die anderen beiden wieder davon brausten. Israel's Ministerpräsident Netenjahu war zu Besuch und zum Programm gehörte auch ein Besuch am Soldatendenkmal in Arlington. Zu dem Zeitpunkt waren wir aber schon auf dem Weg zum Air Force Monument und ins Pentagon - ein Riesenkomplex! Die knapp 20000 Mitarbeiter haben sogar eine eigene Einkaufsstraße im Pentagon. Wir waren nur knapp anderthalb Stunden da, und haben nicht mehr als einen einzigen Traktt gesehen. Naja, in die anderen wären wir wohl eh nicht reingekommen. Am Nachmittag stoppten wir dann noch kurz beim Kapitol, bevor es zurück ins Hotel ging. Diesmal verschlug es uns Abends ins Chinatown und dann in einen Irish Pub, man muss es ja mal ausnutzen, wenn man so ein vielfältiges, kulinarisches Angebot wahrnehmen kann - bisschen was anderes als Wichita Falls.

Am nächsten Tag stand dann morgens der Besuch im Holocaust-Musem auf dem Plan. Die Ausstellung selber bot mir jetzt nicht so viel neues, dass ich nicht vorher schon gesehen hatte. Aber nach dem Museum selber hatten wir noch die Gelegenheit mit einem deutschen KZ-Überlebenden zu reden. War schon sehr beeindruckend, als er seine Geschichte erzählte. Nach diesem etwas schweren Programmpunkt ging es dann auf die große Stadttour, beginnend mit dem Weißen Haus. Irgendwie hatte ich mir die Lage und alles drumherum etwas anders vorgestellt. Unser Tourguide meinte, dass wären die häufigsten Reaktionen: "Ich dachte das wäre größer!" und "Ich hätte nicht gedacht, dass man da so nahe rankommt." Waren wirklich nur so 2-300 Meter vom Zaun bis zur Eingangstür. Der Secret Service ist aber wohl sehr schnell da, wenn man nur probiert über den Zaun zu klettern. Als Präsident wäre ich trotzdem ein wenig genervt, wenn mir ständig dreihundert Leute auf die Fenster glotzen. Das Haus selber ist auch gar nicht so groß, aber es gibt zwei Anbauten, die man von unserer Seite nicht sehen konnte. In denen befindet sich dann z.B. das Oval Office. Dachte immer, das wäre direkt im Weißen Haus, wieder was gelernt... Weiter ging die Tour dann über das Iwo Jima Memorial (aussteigen, Foto machen, einsteigen) und dann zum World War II Memorial. Von dort liefen wir dann zu Fuß zu den weiteren Memorials (Vietnam, Korea, Lincoln, Martin Luther King, Roosevelt, Jefferson), da die alle in einem großen Parkkomlex angelegt sind. Ich muss schon sagen, Washington ist schon eine ziemlich hübsche Stadt. Für amerikanische Verhältniss sowieso, aber selbst vor europäischen Städten muss es sich nicht verstecken, vor allem im Frühling, wenn die Tausenden Kirschbäume anfangen zu blühen. Dafür waren wir dann doch noch etwas zu früh da... Waren dann alle sehr froh, als wir nach dem letzten Memorial dann wieder im Bus saßen und unsere Füße ausruhen konnten.

Am letzten Tag ging es morgens ins Air & Space Museum. War wirklich interessant, die vielen verschiedenen Flieger zu sehen, vor allem weil unserer Tourguides beides erfahrene Militärpiloten waren. Der eine blühte dann richtig auf, als wir zur SR-71 Blackbird kamen, da er die selber geflogen ist. Nach gut zwei Stunden mussten wir dann schon weiter, da hätte man locker noch mal zwei Stunden verbringen können... Aber wir machten uns dann auf den Weg nach Mount Vernon, wo George Washington gewohnt hat. Ist wohl das meistbesuchte Touristenziel in den USA. War aber auch wirklich ganz nett anzusehen. Neben dem halbwegs im Originalzustande erhaltenen Haus wurden auf der Anlage auch noch ein paar Schafe, Kühe und Schweine gehalten, um an die landwirtschaftlichen Forschungen von Washington zu erinnern. Was man auf alle Fälle gemerkt hat, ist dass die Amerikaner einen riesigen Personenkult um ihre Präsidenten betreiben. Das merkte man ja schon bei den Memorials für Jefferson, Lincoln und Roosevelt, aber Mount Vernon ist die Krönung. Ich mein, Washington war offensichtlich ein erfolgreicher General, der erste Präsident und hat wohl nebenbei noch an landwirtschaftlichen Methoden geforscht. Aber in der Ausstellung hörte es sich eher so an, als ob er alleine die Engländer schlug, politisch unfehlbar war und die Landwirtschaft revolutioniert hätte. Auch die Gestaltung seines Grabes erinnerte mich etwas an die Grabeskirche in Jerusalem. Aber nun gut, jedem das seine... Nach einem letzten Ausflug ins Washingtoner Nachtleben, diesmal probierten wir vietnamesisches Essen aus - nicht meins - ging es dann am nächsten Morgen wieder zurück nach Sheppard.

Dort hatte ich dann zwei Tage, um wieder ins LowLevel-Fliegen zu kommen, da ich dann am Mittwoch checken sollte. Im ersten Flug war ich noch nicht so ganz auf der Höhe, und den zweiten mussten wir dann im ersten Versuch abbrechen, da wir nach 20 Minuten in eine Wolkenschicht 200m über dem Boden geflogen sind, blinder Tiefflug ist dann doch ein bisschen gefährlich. Der zweite Versuch am Nachmittag klappte dann aber ganz gut, genauso wie der Checkride am Mittwoch. Direkt im Anschluss ging es dann schon mit dem nächsten Block, Advanced Contact los. Endlich hieß es wieder in die Area zu gehen und den Flieger durch die Gegend zu schmeißen. Neben den Maneuvern, die ich schon aus Goodyear kannte (Loop, Immelmann, Split-S, Cuban 8, Lazy 8 und Aileron Roll), kamen noch die Barrel Roll, das Cloverleaf und die Chandelle dazu. Vor allem das Cloverleaf macht tierisch Laune, habe das bei einem meiner Areasolos bestimmt zehn Minuten lang ohne Pause gemacht, bis mir dann die Puste ausging. Ist echt ganz schön anstrengend, erst mal zieht man die ganze Zeit zwischen 2-4 Gs, und dann wird der Stick nach einiger Zeit auch recht schwer. Das beste an diesem Block ist, dass insgesamt vier Soloflüge darin geplant sind. Leider fand einer von mir dann bei relativ schlechtem Wetter statt, so dass ich nicht in die Area fliegen konnte, aber die anderen drei waren schon stark. Ist gleich ein ganz anderes Gefühl, wenn man weiß, dass hinten keiner mehr drin sitzt, der einem helfen kann. Bei meinem letzten Soloflug hatte ich dann tatsächlich einen kleinen technischen Defekt, als meine Radios ausgefallen sind. War gutes Wetter, von daher wäre das sowieso halb so wild gewesen, aber ich hab dann die Standard-Methode für Elektronik angewendet - Aus. An. Läuft. Die Groundcrew meinte auch nur, dass sie das auch immer so machen würden. Erst wenn es mehrmals auftreten würde, würden sie mal gucken, ob da was kaputt ist. Beruhigend... Die Flüge gingen dann relativ schnell vorüber, so dass ich letzte Woche schon den Checkride hatte und der lief auch ziemlich gut. Damit habe ich jetzt schon vier der fünf Checkrides fertig und in der gleichen Woche habe ich auch meinen letzten Simulatorflug gehabt. Man merkt, es geht so langsam aufs Ende zu. Im letzten Block geht es jetzt ans Formation-Fliegen. Ich durfte dann am Freitag das erste Mal ran, war schon ziemlich beeindruckend. Man fühlt sich gerade nach dem Advanced Contact Block relativ sicher mit dem Flieger, und dann geht man zu zweit raus und fängt wieder ganz von vorne an. Erst mal ist es schon ein wenig erschrecken und kostet Überwindung so nahe an einem anderen Flieger zu sein. Und dann muss man die ganze Zeit arbeiten, um auch in Position zu bleiben und die Automatismen sind beim ersten Flug natürlich noch nicht da, so dass der IP ständig eingreifen muss, damit man nicht in den anderen reinfliegt. Naja, sind ja noch ein paar Flüge, bevor der Checkride kommt...


03-12

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